Herr Noll, Sie sind Doktor der Medizin wie auch des Rechts. Was kann man zuverlässiger prognostizieren: den Verlauf von Krankheiten oder Rückfälle von Straftätern?
Lassen Sie uns zuerst kurz einen Begriff klären. In der Forensik sollte man streng genommen nicht mehr von Prognosen sprechen, weil das nahelegt, dass man exakt vorhersagen kann, ob ein Straftäter rückfällig wird oder nicht. Das klingt zu fest nach Kristallkugel.
Was ist ein besserer Begriff?
Wir sprechen von Wahrscheinlichkeiten. Dabei unterscheidet man verschiedene Stufen der Rückfallwahrscheinlichkeit: zum Beispiel sehr gering, gering, moderat, deutlich und sehr hoch. Manchmal werden auch Prozente angegeben.
Können Sie ein Beispiel machen?
Nehmen Sie einen Psychopathen, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 % innerhalb von fünf Jahren mit dem Delikt Vergewaltigung rückfällig wird.
Nun kann ein Straftäter in der Realität ja nicht zu 30% rückfällig werden. Wie messen Sie da die Treffsicherheit Ihrer Risikobeurteilungen?
Indem wir eine ganze Gruppe betrachten. Eine Rückfallwahrscheinlichkeit von 30 % meint: Wenn Sie heute 100 Psychopathen entlassen, die in ihren risikorelevanten Eigenschaften vergleichbar sind mit diesem Täter, dann werden 30 von ihnen innerhalb von fünf Jahren einschlägig rückfällig, 70 nicht.
Es ist für Laien schwer nachzuvollziehen, dass eine Risikobeurteilung korrekt ist, wenn der Straftäter, dem eine Rückfallwahrscheinlichkeit von 30 % attestiert worden ist, eineinhalb Jahre nach seiner Entlassung wieder eine Frau vergewaltigt.
Weil der Laie eben nur den Einzelfall betrachtet. Wie es auch ein Richter tun muss, er kann ja einen Straftäter mit diesem Risikoprofil nicht zu 30 % freilassen und zu 70 % ins Gefängnis stecken. Letztlich muss das Gericht dichotom entscheiden: Lassen wir diesen Straftäter frei – ja oder nein? Natürlich wäre es moralisch äusserst bedenklich, einen Vergewaltiger mir einer 30%igen Rückfallwahrscheinlichkeit freizulassen.
Mit diesem Hintergrundwissen können wir uns nochmals der ersten Frage zuwenden: Wie gut sind solche Risikobeurteilungen, wenn sie zum Beispiel mit Prognosen über Krankheitsverläufe verglichen werden?
Meines Erachtens ist die Qualität vergleichbar. Wie auch die Probleme, die damit verbunden sind: Auch in der Alzheimer-Forschung beispielsweise weiss man immer besser, wie die Krankheit allgemein voranschreitet, kann Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Lebenserwartungen machen, diese aber letztlich nicht auf die Vorhersage des Verlaufs bei einer ganz bestimmten Personen herunterbrechen.
Das Besondere bei den Straftätern sind die sehr langen Zeiträume, die überblickt werden müssen. Beim Wetter geht es um fünf Tage, in der Alzheimer-Forschung um ein paar Jahre – bei forensischen Risikobeurteilungen reden wir von zwanzig Jahren oder mehr. Wie zuverlässig können solche langfristigen Einschätzungen sein?
Man muss zwischen klaren und weniger klaren Dispositionen unterscheiden. Bei einer Person mit tief verwurzelten Störungen ihrer Persönlichkeit sind auch sehr langfristige Risikobeurteilungen äusserst zuverlässig.
Was wäre ein Beispiel für eine tief verwurzelte Störung?
Mir kommt spontan das reale Beispiel eines pädophilen Straftäters mit sadistischen Neigungen in den Sinn, der zudem narzisstisch ist und eine gewisse Histrionie zeigt, sich also verhält, als ob er immer auf der Bühne wäre und viele Zuschauer hätte – wie eine Operndiva. Eine solche Kombination geht mit einem sehr hohen Rückfallrisiko einher.
Sie haben nun die Risiken dieses Täters beschrieben. Frank Urbaniok hat im Gespräch das Bild der Waagschale verwendet: Auf der einen Seite sind die Risiken, auf der anderen Seite als Gegengewicht die Chancen. Wie gering müssen die Chancen auf einen Therapieerfolg sein, damit ein solcher Täter lebenslänglich verwahrt wird?
Man kann auch bei der Therapierbarkeit noch einmal unterscheiden. Frank Urbaniok hat vier Stufen der Unbehandelbarkeit definiert: unsichere Behandelbarkeit, aktuelle Unbehandelbarkeit, langfristige Unbehandelbarkeit und dauerhafte Unbehandelbarkeit. Wenn nun bei einem hochgefährlichen Täter wie diesem eine langfristige oder dauerhafte Unbehandelbarkeit vorliegt, muss meiner Meinung nach das Gericht eine Verwahrung nach Art. 64 im StGB anordnen, weil dann die Rückfallgefahr nicht substantiell gesenkt werden kann.
Sprechen wir von den weniger klaren Dispositionen – das sind die schwierigen Fälle, was die langfristige Risikobeurteilung betrifft. Wie kann man da den Schutz der Bevölkerung gewährleisten, ohne einfach alle diese Täter wegzusperren?
Indem man ihren Haftverlauf genau beobachtet. Das ist die Grundidee des risiko-orientierten Sanktionenvollzugs, kurz ROS, der von einigen Kantonen offiziell eingeführt wird: Bei jedem Straftäter wird das Rückfallrisiko zuerst präzise abgeklärt, damit nachher insbesondere jene Täter mit einer hohen Rückfallgefahr gezielt therapiert und eben auch immer wieder hinsichtlich ihres Risikos überprüft werden können.
Der Kriminalpsychologe Thomas Müller hat mir gesagt, dass ihm Informationen über das Tatverhalten Hinweise darauf lieferten, ob die Person besonders gefährlich sei oder nicht. Sie können die Straftäter 24 Stunden am Tag beobachten. Worauf achten Sie?
Zum Beispiel auf die Übergänge, etwa wenn ein Täter vom geschlossenen Vollzug ohne Urlaub zum geschlossener Vollzug mit begleitetem Urlaub wechselt. Der Sinn dieser Strafvollzugslockerungen besteht gerade darin, dass man beobachten kann, wie gut das Erlernte umgesetzt wird. Früher meinte man: Wer im Vollzug prima funktioniert, der schafft es automatisch auch draussen. Das ist aber ein grober Denkfehler. Seit den frühen neunziger Jahren findet hier ein Umdenken statt: Das Rückfallrisiko senkt sich nicht von alleine – es braucht bei vielen Straftätern eine Therapie.
Kann so ein Denkfehler heute noch passieren?
Es hat sich in den letzten zwanzig Jahren eine sehr positive Entwicklung gegeben, aber man kann kritische Risikosituationen leider auch heute nicht komplett ausschliessen. Ich denke da an einen Fall, der noch gar nicht so lange zurückliegt. Dabei ging es um einen hochgefährlichen Gewalt- und Sexualstraftäter mit sadistischen Perversionen, der Frauen folterte, ihnen teilweise die Brüste abschnitt. Der kam ins Gefängnis, weigerte sich aber immer, eine Therapie zu machen – es gab also keinen Grund, weshalb er diese devianten sexuellen Phantasien nicht mehr hätte haben sollen. Aufgrund seines unauffälligen, anständigen Verhaltens wurde ihm trotzdem eines Tages bewilligt, das Familienzimmer zu benutzen, wo man für mehrere Stunden privaten Besuch empfangen, auch Sex haben kann. Es ist zwar nichts passiert, aber so etwas ist natürlich hochgradig fahrlässig.
Kann man eigentlich auch positiv auffallen im Strafvollzug?
Ja. Indem man sich freiwillig für kleinere Aufgaben meldet, mit den Aufsehern und Sozialarbeitern redet, Offenheit zeigt in diesen Gesprächen, engagiert ist in den therapeutischen Sitzungen – da gibt es einige Möglichkeiten.
Wahrscheinlich merken grad Psychopathen schnell, was man da genau tun muss.
Das ist in der Tat eine Gefahr. Als ich noch aktiv als Psychiater tätig war, war der Konsens sogar: Lass die Finger von den Psychopathen, Therapie ist kontraproduktiv; die lernen dort die ganze Begrifflichkeit kennen, täuschen Therapiefortschritte vor, die gar nicht vorhanden sind und setzen das dann für ihre Zwecke ein, also zum Beispiel eine frühzeitige Entlassung. Überspitzt gesagt: Sie werden zu besseren Psychopathen, nicht zu besseren Menschen.
Frank Urbaniok sagte, dass es manchmal darum gehe, den Psychopathen eine Art Gebrauchsanweisung zu geben, damit sie ihre Eigenschaften sinnvoll nutzen können. Werden sie nicht grad dadurch zu besseren Psychopathen?
Sehen Sie, Psychopathen werden nie wirklich einsehen, dass ihr Verhalten moralisch nicht in Ordnung ist. Sie handeln sehr egozentrisch und nutzen-orientiert, wollen minimalen Aufwand und maximalen Ertrag, ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn sich diese Täter aber in einer stationären Therapie wirklich intensiv mit ihrem Deliktmechanismus auseinandersetzen müssen, dann gibt es vielleicht eine Aussicht auf Therapieerfolge. Es wird in einer stationären Therapie nämlich nicht nur während der eigentlichen Sitzungen therapiert, sondern auch während des Essens, der Arbeit, dem Sport. Jedes Verhalten, das irgendwie deliktrelevant ist, wird registriert und von Aufsehern dem Therapeuten zurückgemeldet. Die grosse Herausforderung ist es, ihre Persönlichkeit, die man bei Psychopathen wahrscheinlich nicht ändern kann, so zu kanalisieren, dass es für sie einen Nutzen bringt – nämlich den, dass sie nicht mehr ins Gefängnis kommen –, ohne anderen Leuten zu schaden.
Woran merken Sie in solchen Fällen, dass die Rückfallgefahr im Verlauf der Haft wirklich substantiell gesenkt wurde?
Das ist natürlich sehr schwierig. Lassen Sie mich dazu kurz den Fall eines jungen Mannes schildern, der als hochgefährlich eingestuft wurde und auch psychopathische Züge hat. Er wurde in der Schweiz geboren, besuchte hier die Schule und begann eine Lehre als Schreiner. In seiner Freizeit verkehrte er in der Rocker-Szene, stand auf Westernfilme und besonders auf grosse Motorräder, für die er sich in Schulden stürzte. Als er 20-jährig war, verletzte er einen Mann mit dem Revolver, einen Monat später erschoss er einen ihm Unbekannten an einer Tankstelle, um ihm Geld zu entwenden. Er stand unter höchstem Stress wegen der Schulden, seine Scheinwelt brach zusammen wie bei einem Hochstapler. Dieser Mord war vermutlich eine Art Dammbruch. Zwei Tage danach erschoss er im Verlauf eines Raubüberfalls das nächste Opfer. Kurze Zeit später wurde er verhaftet und vom Obergericht zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe verurteilt. Im Gefängnis absolvierte er freiwillig eine deliktorientierte Therapie, wurde nach elf Jahren in den offenen Vollzug versetzt und wohnte im Arbeitsexternat, wo ich für die Betreuer und Aufseher zuständig war.
Eine Erfolgsgeschichte!
Bis sich kurz vor der bedingten Entlassung herausstellte, dass er sich wieder so ein grosses Motorrad gekauft und sich wieder verschuldet hat. Dennoch wurde er aus der Haft entlassen.
Sie hätten anders entschieden?
Ich hätte ihn zu diesem Zeitpunkt noch nicht entlassen.
Warum nicht?
Der fährt auf die teuren Motorräder ab und kauft sie – obwohl er das Geld dafür nicht hat. Wenn er diesen Trieb nicht einmal so kurz vor der Entlassung unterdrücken kann, dann ist das für mich offensichtlich deliktrelevant und deshalb prognostisch ein schlechtes Zeichen.
Was waren die Gegenargumente?
Er war offen, hat alles zugegeben und in der ganzen Aufarbeitung des Delikts von sich aus gezeigt, dass er verstanden hat, was genau passiert mit ihm, hat also nicht nur dem Therapeuten nachgeplappert. Dann kann man sagen: Das war jetzt ein einmaliger Ausrutscher, ohne dass etwas passiert ist, und das wird dann gleich in die Therapie eingebaut, die er ja ambulant weiter besucht, auch wenn er bedingt entlassen wird.
Wissen Sie, wie es weiterging?
Das ist jetzt sechs Jahre her. Seither hat man nichts mehr von ihm gehört, was in diesem Fall ein gutes Zeichen ist. Mich hat das positiv überrascht. Sie sehen: Selbst wenn ein Straftäter über Jahre hinweg therapiert wird und seinen Deliktmechanismus weitgehend in den Griff bekommt – letztlich ist es ein Abwägen zwischen Risiken und Chancen, das entscheidet, ob er freigelassen wird oder nicht.
Wie muss man sich umgekehrt in der Haft verhalten, damit man von einer mittleren in eine hohe Risiko-Kategorie eingestuft wird? Das ist für mich schwer vorstellbar, es ist ja alles reglementiert, wird alles überwacht.
Einerseits kann man eine zusätzliche Gefährlichkeit herausfinden. Das ist sogar im Art. 65 StGB verankert: Man kann jemanden nachträglich verwahren, wenn man Informationen bekommt, die das Gericht zum Zeitpunkt des Urteils noch nicht kannte – obwohl sie da waren. Wenn etwa jemand wegen Mordes verurteilt wird, und es stellt sich während der Therapie heraus, dass er noch ein zweites Opfer getötet hat, dann ist das etwas anderes als eine Tat, die man womöglich noch als isolierte und situativ hochspezifische Affekttat beurteilt hat. Darüber hinaus fällt es natürlich negativ auf, wenn jemand im Gefängnis sehr impulsiv ist, also zum Beispiel häufig in körperliche Auseinandersetzungen verwickelt ist.
Wobei ja vermutlich zuerst noch der genaue Verlauf und die Rolle der beteiligten Personen analysiert werden müssen. Es kann ja auch den Kindermörder betreffen, der auf der untersten Stufe der Gefängnishierarchie ist und dauernd provoziert wird.
Deshalb ist es wichtig, dass Aufseher und Therapeuten eng zusammenarbeiten. Der Therapeut muss zum Beispiel sagen, worauf der Aufseher genau achten soll. Was sind die neuralgischen, deliktrelevanten Verhaltensweisen? Wenn jetzt der Insasse flucht am Tisch und einen Mitinsassen beschimpft – muss ich das jetzt zurückmelden oder nicht? Schon so etwas könnte durchaus deliktrelevant sein.
Wird nun ein Straftäter tatsächlich als hochgefährlich und dauerhaft nicht therapierbar eingestuft, dann wird er verwahrt. Marc Graf meinte dazu: «Wenn wir Menschen zu unserem eigenen Schutz verwahren, dann müssen wir ihnen gute Lebensbedingungen in einer Sicherheitshaft anbieten. Es ist nicht statthaft, dass sie unter denselben Bedingungen leben wie jemand, der bestraft wird.» Einverstanden?
Diese Aussage leuchtet auf den ersten Blick ein, da es sich bei einem Freiheitsentzug ja nicht um eine Bestrafung handelt, sondern der Schutz der Allgemeinheit im Zentrum steht. Bei genauerer Betrachtung führt das jedoch zu einem formallogischen Konflikt: Auch bei den Gefangenen mit regulärer Freiheitsstrafe dürfen die Rechte laut Art. 74 StGB nur soweit beschränkt werden, als der Freiheitsentzug und das Zusammenleben in der Vollzugseinrichtung es erfordern. Würde man nun die Verwahrten in Bezug auf die Lebensbedingungen besser stellen, würde dies indirekt bedeuten, dass die regulären Gefangenen – entgegen dem Wortlaut von Art. 74 StGB – zusätzlich zum Freiheitsentzug durch weitere Elemente bestraft werden.
Und wenn man die regulären Gefangenen im Status quo belässt, dafür aber die Verwahrten besser stellt? In Niedersachsen etwa werden konkrete Privilegien diskutiert: ohne zeitliche Begrenzung telefonieren und Besucher empfangen dürfen, einen Internetzugang haben, grössere Wohnräume.
In Deutschland wird das mit dem «Sonderopfer» begründet, welches die Verwahrten durch ihr Eingesperrt-Sein für die Gesellschaft erbringen, ohne dass sie eine eigentliche Schuld zu verbüssen hätten. Das Unlogische daran zeigt sich aber meines Erachtens schon an Ihrem Beispiel: Wenn es ohne Sicherheitseinbusse möglich ist, die Verwahrten länger telefonieren zu lassen, Besucher zu empfangen sowie das Internet zu benutzen, würde es doch gegen Art. 74 StGB verstossen, wenn man dieselben Rechte nicht auch den regulär Gefangenen zugestehen würde.
Und wenn man nun in Entsprechung zum «Sonderopfer» bestimmte Sonderrechte einräumen würde?
Man könnte das natürlich immer weiter treiben und den Verwahrten ein geradezu luxuriöses Leben offerieren. Das wäre aber kaum finanzierbar und der Öffentlichkeit gegenüber nicht zu vermitteln. Ich habe nichts dagegen, wenn die Rechte der Verwahrten verbessert werden – allerdings massvoll und mit Rücksicht auf den Rechtsfrieden.
Nun ist im Gesetz ja noch eine letzte Möglichkeit für Verwahrte eingebaut: Wenn durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse erwiesen wird, dass der Täter geheilt werden kann und somit keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellt, können neue Gutachten erstellt werden.
Da wollte sich der Gesetzgeber wohl einfach absichern. Man muss klar sehen: Wer heute eine Verwahrung kriegt, muss davon ausgehen, dass er nie wieder rauskommt. Im Gegensatz dazu hatte eine Verwahrung vor 25 Jahren durchschnittlich nur drei bis fünf Jahre hinter Gittern zur Folge, das war das andere Extrem. Deshalb ist dieser Passus sehr vage formuliert.
Konkretisieren wir: Angenommen, in zehn Jahren hat der Hirnforscher Niels Birbaumer, mit dem ich das erste Gespräch in dieser Reihe geführt habe, seine Studie abgeschlossen und kommt zum Schluss, dass rund 80 % der Psychopathen mittels fMRT-Neurofeedback therapiert werden können. Würden Sie persönlich dann finden, das seien solche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse?
Ich würde zuerst nachschauen, was genau in der Studie unter «therapiert» verstanden wird.
Die Psychopathen reagieren nicht mehr mit sexueller Erregung, wenn ihnen sadistische Bilder gezeigt werden, sondern mit Furcht. Dies geht einher mit stark erhöhten Aktivitäten im entsprechenden Netzwerk des limbischen Systems.
Dann würde ich wahrscheinlich zumindest sagen: Das sind wissenschaftliche Befunde, die wir genau prüfen müssen. Letztlich ist es wieder eine Frage der Einschätzung – ob es mir nämlich genügt, dass diese Methode bei rund 80 % der Psychopathen wirkt. Und ob ich überzeugt davon bin, diese gesteigerte Furcht vor Konsequenzen würde die Lust am Vergewaltigen, Quälen und Morden so entscheidend verringern, dass die Rückfallgefahr deutlich kleiner wird. Am Ende muss man auch hier wieder die Frage beantworten, was schwerer wiegt, die Risiken oder die Chancen. Das ist und bleibt ganz schwierig. Wie würden Sie entscheiden?