Was mache ich idealerweise unmittelbar nach einer Lernphase, in unserer Zeitabfolge also um etwa 11 Uhr?
Man kann eine frisch aufgenommene Repräsentation stärken, indem man verhindert, dass sie von der nächsten Information überlagert wird.
Was heisst das konkret?
Spazieren gehen, etwas malen, Sport treiben, meinetwegen auch ein Spiel machen. Aber eben keines, bei dem man etwas auswendig lernen muss, Memory zum Beispiel wäre schlecht.
Werden Informationen, die man kurz vor dem Schlaf aufnimmt, bevorzugt behandelt?
Ja, wenn man etwas dicht an der Schlafphase wiederholt, dann ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass dieses Material in den Langzeitspeicher transportiert wird.
Also den Lernstoff für die Prüfung wiederholen – und dann sofort ins Bett?
Nein, eben grad nicht. Man muss das Gehirn zuerst noch runterfahren lassen.
Wie macht man das am besten?
Indem man wach bleibt, aber möglichst keine Informationen mehr aufnimmt. Wenn man beispielsweise Alkohol trinkt nach dem Lernen, wird das frisch Gelernte geschützt.
Das werden sich jetzt garantiert alle merken können.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte keineswegs zum Alkoholkonsum animieren, sondern einfach sagen: In dem Moment, in dem man ein Glas Rotwein zu sich nimmt, ist zwar die Aufnahme neuer Informationen stark vermindert – aber damit auch die retroaktive Interferenz und damit die Gefahr der Überlagerung.
Gehen wir zum Schlaf und damit zur Verarbeitung der Informationen über. Warum macht das Gehirn das eigentlich nicht grad im Wachzustand? Das wäre doch viel effizienter.
Das Gehirn wäre schlicht überfordert, wenn man das, was reinkommt, gleichzeitig verarbeiten und abspeichern wollte. Man würde Halluzinationen bekommen.
Was passiert im Schlaf genau?
Man muss zwei Prozesse unterscheiden: Selektion und Transformation, also Auswahl und Umverteilung. Bei der Selektion werden die Notizen im Briefkorb nach wichtig und unwichtig sortiert. Das sind mal zwei Grundstapel. Dann geht man das Material noch genauer durch, vergleicht: Was passt da zusammen, wie kann man es weiter sortieren?
Wird auch schon was gelöscht?
Es gibt Hinweise, dass der Hippocampus ganz freigeräumt wird, um schnell wieder neue Inhalte aufnehmen zu können. Aber wir wissen es noch nicht.
Und wohin werden die Lerninhalte transportiert?
Man sieht im Hirnscan sehr schön, dass jene Hirnregionen, die im Wachzustand beim Lernen besonders aktiv waren, auch im Tiefschlaf besonders aktiviert werden. Wenn Sie zum Beispiel am Tag ein paar Fachbegriffe auswendig gelernt haben, dann feuern auch im Tiefschlaf besonders die involvierten Bereiche des sprachlichen Netzwerkes. Das sind die Briefkästen, die im umliegenden Neocortex verteilt sind. In der Nacht wird die Post verteilt.